«Die Schweiz hat in der Ukraine eine besondere Rolle»

Wichtiger als mögliche Sanktionen gegen Russland zu ergreifen, sei die Rolle der Schweiz als Brückenbauerin in der Ukraine, sagt Bundespräsident Didier Burkhalter.

Markus Häfliger, Jan Flückiger, Bern
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Der Bundespräsident kümmert sich auch während der Ratsdebatte um die Ukraine. (Bild: Keystone)

Der Bundespräsident kümmert sich auch während der Ratsdebatte um die Ukraine. (Bild: Keystone)

Herr Burkhalter, Sie haben am Montag wegen der Situation in der Ukraine sogar während der Ständeratsdebatte pausenlos SMS geschrieben.

So läuft es seit Tagen. SMS, Reisen, Telefonate.

Letzte Woche haben Sie auch mit Wladimir Putin telefoniert. Worum ging es?

Wir haben über die internationale Kontaktgruppe gesprochen und über die Bedingungen, unter denen Russland sich beteiligen könnte. Eine Kontaktgruppe ohne Russland macht keinen Sinn. Herr Putin hat erklärt, dass sich diese Gruppe nur um die internen Probleme der Ukraine kümmern solle. Deshalb nennt er es Unterstützungsgruppe. Russland könne sich nicht vorstellen, dass eine solche Gruppe ein Problem zwischen Russland und der Ukraine regeln solle. Zudem ging es um die geplante Beobachtermission der OSZE.

Wo stehen Sie hier?

Wir möchten möglichst rasch eine Beobachtermission auf Platz haben mit den Mandaten Konfliktprävention, Menschenrechte und Minderheitenschutz. Für eine solche Mission braucht es den Konsens aller 57 OSZE-Mitglieder. Deshalb brauchen wir auch hier das Einverständnis Russlands. Ich habe versucht, Herrn Putin zu erklären, worin Russlands Interesse an einer solchen Mission bestehe. Wegen der russischsprachigen Minderheit in der Ukraine ist Russlands Interesse evident. Er hat mehrere Fragen gestellt, er war interessiert und hat mich gebeten, dies mit dem russischen Aussenministerium weiter zu entwickeln. Wir haben seither gute Lösungen entwickelt, haben aber immer noch keinen vollständigen Konsens.

Wie gross sind die Chancen, dass die Beobachtermission zustande kommt?

Wir stehen bei 98 Prozent, doch wir brauchen 100 Prozent. Im Prinzip gibt es ein Einverständnis, doch alle Mitglieder der OSZE müssen sich auf den exakt gleichen Wortlaut verständigen. Es geht noch um wenige Worte.

Warum ergreift die Schweiz keine Sanktionen gegen Russland, das auf der Krim das internationale Recht verletzt hat?

Derzeit analysiert die Schweiz die Situation und was ihre wichtigsten Partner tun. Die Schweiz ist weder die EU noch die USA. Die Schweiz hat eine besondere Rolle. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, nützlich zu sein als mögliche Mediatorin und Brückenbauerin. Wir wollen nicht einfach eine weitere kleine EU sein.

Sanktionen und Brückenbauer-Funktion: widerspricht sich das nicht?

Nein. Der Schweizer Staat kann selbstverständlich seine Entscheide treffen. Aber wir nehmen uns ein bisschen Zeit und tun nicht einfach, was die Allianz X oder Y tut. Wir wollen unparteiisch handeln und dabei auf die Dauer glaubwürdig bleiben. Für uns ist das Recht wichtig, deshalb haben wir sehr klar Stellung genommen zum Referendum auf der Krim.

Ist es für die Schweiz schwieriger, Sanktionen zu beschliessen, weil sie das Präsidium der OSZE innehat?

Wir sind uns solche Situationen gewohnt. Auch im Iran-Dossier gab es immer enormen Druck, dass wir Sanktionen ergreifen würden. Auf der anderen Seite war die internationale Gemeinschaft immer froh, dass es die Schweiz gab, die ein bisschen besonders ist. Die Schweiz hat gute Beziehungen zu China, zu den USA, mit Russland mit der EU. Auch wenn es Spannungen in gewissen Dossiers gibt – wir haben gute Kontakte zu allen. Wer hat das ausser uns? Es gibt nicht mehr viele Länder, die als Mediator in solchen Situationen wirklich nützlich sein können. Die OSZE-Präsidentschaft verstärkt die Schweizer Rolle sogar: Wir sind doppelt unparteiisch. Natürlich darf die Schweiz aber nicht dazu dienen, Sanktionen zu umgehen, das geht nicht.

Die USA haben Ihren Sondergesandten für die Ukraine, Botschafter Tim Guldimann, kritisiert und ihm vorgeworfen, er sei pro-russisch und nicht neutral genug.

Er ist sogar vollkommen neutral, denn ich habe Kritik von den Amerikanern und den Russen gegen ihn erhalten. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Hier gibt es überhaupt kein Problem. In einer derart schwierigen Situation, vous ne faites pas d'omelette sans casser des oeufs.

Der russische Präsident Putin hat am Montagabend die Krim als unabhängigen Staat anerkannt. Was sagen Sie zu dieser jüngsten Entwicklung?

Dazu nehme ich keine Stellung, bevor ich das nicht genau analysiert habe.

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